Man kann behaupten, dass die Disziplin Wissensmanagement im deutschsprachigen Raum in diesem Jahr 20-jähriges Jubiläum feiert. Denn 1996 sind mit den Erstausgaben von "Wissen managen" (Probst, Raub, Romhardt) und "Wissen gewinnt" (Zucker, Schmitz) zwei der wichtigsten deutschsprachigen Standardwerke erschienen. Beide hatten in den Untertitel bereits Hinweise auf die Interdisziplinarität des Themas Wissensmanagement (z.B. Das intelligente Unternehmen, Wissen als wertvollste Ressource).
Doch etwas später wurde Wissensmanagement sehr stark von der IT "absorbiert". Der IT-Branchenverband BITKOM gründete 1999 die KnowTech, die sich im Lauf der Jahre zum wichtigsten Klassentreffen der Wissensmanagement-Community etabliert hat. Auch wenn in den letzten Jahren vermehrt auch Führungs-, Kultur-, Organisations- und Personalthemen vertreten waren, blieb die KnowTech im Kern ihrem Untertitel "IT-gestütztes Wissensmanagement" treu. In meiner Beobachtung gab es zwei große Wellen des IT-orientierten Wissensmanagement: Portale, DMS, ECMS rund um die Jahrtausendwende und Soziale Medien so ungefähr ab 2007/2008.
Parallel dazu haben die anderen notwendigen Disziplinen wie beispielsweise Personal, Unternehmenskommunikation, Qualitäts-/Prozessmanagement, Projektmanagement, Innovationsmanagement bis hin zur Führungskräfteentwicklung das Thema Wissensmanagement bei weitem nicht so stark ausgeprägt wie die IT. In einigen der genannten Disziplinen kommt gerade erst der Megatrend der Digitalisierung an, die Bedeutund des Trends der Wissensgesellschaft ist noch kaum angekommen.
Wie gerade auf der CeBIT zu beobachten war, ist sind die Themenfelder Enterprise 2.0/Soziale Medien/Social Business jetzt durch. Damit meine ich nicht, dass die Einführung und der Veränderungsprozess in allen Organisationen schon abgeschlossen ist, aber die First Mover und die Early Adopter haben ihre Piloten abgeschlossen, es ist klar, dass Soziale Medien in Unternehmen einen deutlichen Mehrwert erzeugen und jetzt wird irgendwann die Late Majority nachkommen. Die IT-Branche setzt auf die nächsten innovative Themen wie Big Data, Advanced Analytics, Robotics und Machine Learning. Viele der Anbieter hatten ihre Angebote im Bereich Enterprise 2.0 auf der CeBIT schon gar nicht mehr in der Auslage.
in dieses Bild passt auch, dass der BITKOM sich entschlossen hat, die KnowTech im Jahr 2016 nicht fortusetzen. Der Arbeitskreis Knowledge Management wird sich in Arbeitskreis Cognitive Computing umbenennen. Als Jahresveranstaltung für diesen Arbeitskreis wird voraussichtlich der BITKOM Big Data Summit dienen, der jährlich im Februar stattfindet. Und damit verliert das Wissensmanagement sein jährliches Klassentreffen.
Doch das muss nicht unbedingt Grund sein, den Kopf in den Sand zu stecken. In der Situation steckt auch die Chance, sich von der IT-Lastigkeit der letzten Jahrzehnte zu emanzipieren und Wissensmanagement da zu platziern, wo es eigentlich hingehört: als eine Interdisziplin, die die Führung und Gestaltung Lernender Organisationen im Fokus hat. Mit allen Facetten inkl. wissensorientierter Führung, wissensorientierten Prozessmanagments, wissensorientierten Projektmanagements usw. Wir arbeiten gerade bei Cogneon an einem Veranstaltungskonzept, dass die Funktion des Klassentreffens in 2016 übernehmen und als Plattform dienen soll, einen Dialog über die Zukunft des Wissensmanagements in den kommenden 20 Jahren anzustoßen. Termin wird der 26.-27. Oktober sein.
Lasst uns die Fokussierung auf Wissensdatenbanken & Co. endgültig beerdigen und uns daran machen, echte Lernende Organisationen zu entwickeln. Damit können wir der Vision der Wissensrepublik einen großen Schritt näher kommen.
Scholarch der Cogneon Akademie. Von der Ausbildung Dipl.-Ing. Elektrotechnik mit Schwerpunkt Digitale Nachrichtentechnik. Ich brenne für Lernende Organisationen, Wissensmanagement, New Work und Lebenslanges Lernen. Mitglied in Corporate Learning Community, Gesellschaft für Wissensmanagement, Chaos Computer Club uvm. Weiterer Podcast unter http://knowledge-on-air.de.