Das Jahr 2023 – Eine kleine Retrospektive

Das Jahr neigt sich dem Ende, immer eine gute Gelegenheit, die wichtigsten Erkenntnisse der letzten 12 Monate zusammenzuschreiben. Ich habe mir überlegt, was meine Themenfelder mit neuen Einsichten sind. Auch wenn es im Bereich Microsoft 365 als Toolset für Wissensarbeiter:innen immer wieder kleine Neuigkeiten gibt, ist das doch im wesentlichen “Commodity” geworden. Die drei Themenfelder mit größeren Erkenntnissen sind in meinen Augen:

  1. Hybride Veranstaltungen für den Wissenstransfer
  2. Multiplikatoren Netzwerke (statt Wissensmanagement Ab-teilungen)
  3. Generative KI als “New Kid on the Block”

Hybride Veranstaltungen für den Wissenstransfer

Veranstaltungen spielen in unseren Wissensmanagement-Ansätzen schon immer eine große Rolle. Dabei geht es seltener um klassische Konferenzen oder Messen mit Einweg-Kommunikation, sondern eher um interaktive Formate mit dem Barcamp als DEM Evergreen-Format für Vernetzung und Wissenstransfer innovativen Themen.

Das waren die größeren Events, zu denen wir bei Cogneon dieses Jahr Erfahrungen gesammelt haben:

  1. Virtuelles Barcamp für die Experten-Organisation bei vitesco auf Basis von SpatialChat und Microsoft Teams
  2. Corporate Learning Camp 2023, wieder mit den Standorten Hamburg & Walldorf und Online, Sessionplan als Google Doc, Bring-Your-Own-Videoconference-Tool-Ansatz.
  3. 7. lernOS Convention 2023, hybride Veranstaltung auf der Kaiserburg Nürnberg und Online mit Discord und Microsoft Teams, Hybrid Meeting Kits für die Breakout-Räume (COPEDIA-Seite)
  4. SAP Training Forum 2023 “Ride the Change – Skillset. Mindset”. Mit Lightning Talks, Knowledge Cafes und Live-Podcast. Bühne mit “großem Besteck” (internes Event-Team), Breakout-Räume mit Zoom und den Hybrid Meeting Kits
  5. 4. Audio-only Barcamp, online mit Discord (COPEDIA-Seite, Doku als Podcast)
  6. DATEV KanzleiCamp, hybrides Barcamp mit Kunden (externen Kanzleien) mit Microsoft Teams und “großem Besteck” auf der Bühne (internes Event Team) und Microsoft Teams mit den Hybrid Meeting Kits in den Breakout-Räumen
  7. 8. Zusammenarbeit 2.0 Barcamp bei Audi, internes hybrides Barcamp der Zusammenarbeit 2.0 Community mit Microsoft Teams und den Hybrid Meeting Kits
  8. 1. DigitalTogether Barcamp bei Siemens Healthineers, internes hybrides Barcamp der DigitalTogether Community im neuen Siemens Healthineers Innovationcenter in Erlangen mit Microsoft Teams und den Hybrid Meeting Kits
  9. 37. Chaos Communication Congress (Programm), speziell die Sendezentrum Assembly mit Podcast-Tisch, hybrider Live-Podcast-Bühne (Programm) und hybridem Lagerfeuer mit Jitsi (27.-30. Dezember)

Und das sind meine wichtigsten Lessons Learned:

  • Hybrid ist gekommen, um zu bleiben. Auch wenn viele Veranstaltungen auf Online-only oder Präsenz-only setzen, glaube ich an die Vorzüge der asynchronen und synchronen Teilnahme egal von welchem Ort.
  • In einer hybriden Veranstaltung sind Vor-Ort-Teilnehmer:innen auch Online-Teilnehmer:innen. Wie Karlheinz das so schön bei der loscon23 ausgedrückt sollte man alle Vor-Ort-Teilnehmer:innen dazu ermutigen, eigene Endgeräte mitzubringen und sich (ohne Audio) in die Konferenzen einzuwählen. Sonst haben sie keine Möglichkeit, an Chat und interaktiven Tools (z.B. Whiteboard, Pads) teilzunehmen.
  • Partizipation auf Augehöhe ist wichtigstes Prinzip für hybride Veranstaltungen. Neben der Technik muss man darauf achten, dass sich alle eingebunden fühlen. Wichtiges Gedankenmodell hierfür ist der “virtuelle Stuhlkreis”, bei dem man sicher stellt, dass sich Speaker/Session Owner, Publikum vor Ort und Publikum remote jederzeit sehen, hören und miteinander kommunizieren können.
  • Das technische Setup für die Bühne ist grundsätzlich anders, als das für die Breakout-Räume. Bei einer Bühne braucht man 2-3 Kameras, und mehr Mikrofone, als in Breakout-Räumen. Ein Rodecaster Pro 2 Audio-Mischer (*) mit gekoppelten Rodewireless Go 2 (*) und Handadaptern (*) sowie ein Blackmagic Atem Mini Pro (*) als Video-Mischer sind eine gute Minimal-Lösung.
  • Das Hybrid Meeting Kit hat sich bewährt und kommt jetzt in Version 3.0. Bei der lernOS Convention 2023 hatten wir die zweite Version unseres Hybrid Meeting Kits (HMK) mit Weitwinkelwebcams (Logitech C930e (*)), Freisprecheinrichtung als Lautsprecher (Jabra Speak 510 (*)) und Funkmikrofonen (Rode Wireless Go 2 (*)) die HMK Version 2.0 im Einsatz. Im Jahr davor hatten wir noch die Version 1.0 mit Obsbot Tiny 4K (*) als Webcam im Einsatz. Alle Arten von automatisch zoomenden Kameras haben sich in unseren Setups nicht bewährt. Für die Version 4.0 werden wir auf eine neue Videobar setzen (Kamera und Lautsprecher integriert) und uns bei den Mini-PCs etwas neues überlegen müssen, da Intel die NUCs abgekündigt hat und unsere NUCs meist nicht über USB-C-Anschlüsse verfügen.
  • Microsoft Teams ist für die Videokonferenzen hybrider Veranstaltungen gut geeignet. Als Standard-Einstellung (bei einem Display) hat sich bei uns bewährt:
    • Session-Owner-PC wird NICHT für den Beamer im Raum verwendet, sondern der des Raum-Buddys (sonst sind bei Screenshare die Remote-Teilnehmenden nicht mehr zu sehen)
    • View: Speaker (ist automatisch, besser und reagiert schneller, als Spotlight)
    • View: Fullscreen (viel Platz für Inhalt, wenig Ablenkung)
    • View: Gallery on top (damit sie neben dem Chat bei Screensharing nicht so viel Platz verbraucht)
    • Chat: On (wie früher die Twitterwall im Raum)
  • Discord ist für die informelle und zufällige Interaktion von Teilnehmenden bei hybriden Veranstaltungen sehr gut geeignet. Im Gaming ist Discord für Text/Audio-Chat Standard, über die KI wurden weitere Zielgruppen an die Plattform herangeführt (z.B. Midjourney, LAION). Für den informellen Austausch und die zufälligen Begegnungen bei (externen) Veranstaltungen ist Discord nahezu perfekt geeignet. Wir weren auch bei der lernOS Convention 2024 (2.-3 Juli) und beim Audi-only Barcamp 2024 (7. November) wieder Discord einsetzen.
  • Virtuelle und hypride Veranstaltungen führen zu mehr Aufzeichnungen, die wir aber noch nicht optimal zugänglich machen. Mein Vorbild für Veranstaltungsdokumentation ist die Plattform media.ccc.de des Chaos Computer Clubs. Im kommenden Jahr wollen wir hier auf der cogneon.de zusätzlich zum Kalender eine Netflix-artige Ansicht bauen, um Dokumentation von Sessions aus der Vergangenheit bequem zugänglich zu machen (ähnlich der Lernflix-Idee, die wir 2018 schonmal hatten).

Multiplikatoren-Netzwerke als Evergreen

An der Erkenntniss, dass eine einzelne Wissensmanagement-Abteilung (oben bewusst als Ab-teilung geschrieben, um die Silo-artigkeit zu betonen) im Wissensmanagement nicht ganzheitlich wirken können, hat sich nichts geändert. Wie auch Stan Garfield in seiner gkc21-Session Knowledge Management – Past, New Normal, and Future betont hat, braucht es schon zentrale Kümmerer-Rollen (Mandatsträger), aber mit den Worten von John Kotter eine Army of Volunteers oder mit Daniel Mezcieck einen einladungsbasierten Ansatz für die Multiplikation.

Die Bedeutung der Interaktion von Menschen für die Etablierung von systematischem Wissensmanagement benennt auch die ISO 30401:2018 in den sog. Guiding Principles (Kapitel 0.3, Punkt f): “Shared understanding: people create their own knowledge by their own understanding of the input they receive. For shared understanding, knowledge management should include interactions between people, using content, processes and technologies where appropriate”. Und genau für die Orchestrierung dieser Interaktion sind Multiplikatoren-Netzwerke Angeboten im Bereich Veranstaltungen (Event Management) und Communities (Community Management) unersetzlich.

Das waren die Multiplikatoren-Netzwerke, in die ich dieses Jahr involviert war:

  1. Continental GUIDEs, hier bin ich nicht direkt involviert, ist aber seit meinem Podcast mit Harald (2015) ein großes Vorbild und über das Benchlearning Projekt bekomme ich auch immer mit, was sich da neues tut.
  2. Audi Zusammenarbeit 2.0 Guides, Multiplikatoren-Netzwerk zu Mindset, Methoden und Tools der modernen Zusammenarbeit, hier bin ich seit dem Enterprise 2.0 Projekt 2014 im Kernteam aktiv.
  3. Siemens Healthineers DigitalTogether Champions, Multiplikatoren-Netzwerk zu New Ways of Leading, Communicationg, and Collaborating, hier bin ich seit der Yammer- und Office-365-Einführung im Kernteam aktiv.

Und das sind meine wichtigsten Lessons Learned:

  • Multiplikatoren-Netzwerke wie Guides oder Champions sind für das Wissensmanagement eine Evergreen-Methode für organisationale Verankerung und Change Management in Richtung Lernende Organisation.
  • Das Thema des Multiplikatoren-Netzwerks darf nicht zu eng gesteckt sein. Viele Netzwerke sind eingeschlafen, weil sie z.B. “Office 365” oder “Teams” als Thema im Titel hatten und das dann irgendwann “durch” war. Bei einem breiten Thema ist darauf zu achten, dass es für den Zeithorizont von mehreren Jahren trotzdem ein Leitthema geben sollte, das alle vereint und bei Top Management und Sponsoren hohe Priorität hat.
  • Der Ansatz der Change Coalition (in lernOS haben wir das als Arbeitstitel “Koalition des Lernens” genannt, das wird aber nochmal umbenannt), den Joel zur lernOS Convention 2021 vorgestellt hat, mit Kernteam, Community of Practice (CoP) und Community of Interest (CoI) ist immer noch die richtige Denkrichtung.
  • Ein Multiplikatoren-Netzwerk braucht ein Portfolio von Aktivitäten wie z.B. Formate, Veranstaltungen und News-Kanäle, die regelmäßig mit den Visionen/Strategien der Organisation und der Sponsoren abgeglichen werden.

Generative KI als Sparringspartner in der Wissensarbeit

Da zwei der vier Gründer von Cogneon aus dem Lehrstuhl für Künstliche Intelligenz (KI) der Friedrich-Alexander-Universität Erlangen-Nürnberg stammen, haben wir zum Thema KI schon immer einen engen Bezug. So basiert z.B. unser Expert Debriefing Prozess auf der KI-Methode des Knowledge Engineerings. Trotzdem kam der Durchbruch der generativen KI mit Large Language Models und Diffusion Models als Basis Ende 2022 doch sehr plötzlich. Mit sehr hohem Tempo hat das Thema Einzug in die Projektpraxis unserer Wissensmanagement-Projekte gehalten und ich denke, das Thema wird uns auch die nächsten 3-5 Jahre noch intensiv beschäftigen.

Und das sind meine wichtigsten Lessons Learned:

  • Generative KI ist ein “New Kid on the Block” im Wissensmanagement, es ist vielleicht als Thema nicht so groß, wie “das Internet”, aber bestimmt so groß, wie “das Smartphone”.
  • Large Language Models (LLMs) sind mir intuitiv noch nicht zugänglich (noch weniger, als Diffusionsmodelle). Dass sie nicht verstehen, nicht wissen, keine Motivation, keine Gefühle und kein Bewusstsein haben ist klar. Aber was genau passiert, wenn ich mit einer KI kommuniziere ist mir noch nicht klar.
  • Legt man die Liste der Standard-Aufgaben von Wissensarbeiter:innen neben eine Liste der Fähigkeiten generativer KI wird an der großen Überlappung sichtbar, dass wir da in den nächsten Jahren große Produktivitätssprünge bei Wissensarbeit sehen werden.
  • Die “Innovators” haben in ihren Intranets schon 2023 KI-Tools eingeführt. Bis Mitte 2024 werden die “Early Adoptors” (s.a. Diffusionstheorie) nachziehen und sich für Out-of-the-Box-Angebote (z.B. Microsoft Copilot) entscheiden, oder selber Angebote aufsetzen.
  • Mit dem Thema Change & Adoption für KI werden wir uns im Benchlearning Projekt 2024 “KI für Alle” intensiv beschäftigen. Wie auch schon der KnowledgeJam „Hands-on AI – Wir bauen uns unsere persönlichen KI Assistenten” gezeigt hat, ist das brandneue Thema KI ideal geeignet für solche praktischen Wissens- und Erfahrungsaustausch-Formate.
  • Mein persönliches KI-Highlight ist das mit Stable Diffusion (lokal auf einem Macbook Air M1) erstellte Ergbnisbild der loscon23 Challenge, das auch diesen Beitrag ziert. Wir wollten das Systemmodell eigentlich mit virtuellen Legos bauen, aber das wäre viel aufwändiger und bei weitem nicht so gut geworden.

Ich wünsche Euch allen einen erholsamen Jahresausklang und einen guten Start in ein erfolgreiches Jahr 2024. Wer diesem Beitrag noch Erfahrungen oder Wünsche hinzufügen möchte, kann dafür gerne die Kommentare nutzen.

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1 Kommentar zu „Das Jahr 2023 – Eine kleine Retrospektive“

  1. Danke Dir für die mal wieder wunderbar dichte Sammlung von Lernerfahrungen.
    Es ist großartig da ein wenig mit Dir und der Community lernen zu dürfen.

    Für mich persönlich ist die ganzheitliche Wirkung einer regelmäßigen Veröffentlichung meiner individuellen Reflexionen als Newsletter (mein Zettelkasten) eine der zentralen Erkenntnisse im letzten Jahr.

    Ich freue mich auf das gemeinsame Lernen 2024!

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