Corporate Learning in KMUs

Ich habe vor kurzem die Lernziele der Teilnehmer*innen im Corporate Learning 2025 MOOCathon ausgewertet. Bei den Top 6 Lernzielen war das Themengebiet “Learning@KMU” dabei, das ich als zeitgemäße Ansätze des organisationalen Lernens in kleinen und mittleren Unternehmen (KMU) interpretiere. Da ich im Kontext von Wissensmanagement und Lernenden Organisationen hauptsächlich in Großunternehmen aktiv bin und wenig KMU-Erfahrung habe, will ich mich im MOOCathon mit den Unterschieden der Ansätze in Großunternehmen und KMU beschäftigen.

Dazu habe ich mir erstmal die KMU-Definition der Europäischen Kommission angesehen, um ein Gefühl für die Größenordnungen von KMU zu bekommen:

  • Kleinst-Unternehmen: bis 9 Mitarbeiter, bis 2 Mio. Umsatz/Jahr
  • Kleine Unternehmen: bis 49 Mitarbeiter, bis 10 Mio. Umsatz/Jahr
  • Mittlere Unternehmen: bis 249 Mitarbeiter, bis 50 Mio. Umsatz/Jahr
  • Großunternehmen: über 249 Mitarbeiter, über 50 Mio. Umsatz/Jahr

Von 3,65 Mio. Unternehmen in Deutschland zählen 3,64 Mio. zu den KMU, das sind 99,6 Prozent! 58,5 Prozent der sozialversicherungspflichtigen Jobs sind in KMU und 81,1 Prozent der Auszubildenden. Auch wenn ich oft schon Aussagen wie “der Mittelstand als Rückrat der Wirtschaft” gehört habe, haben mir diese Zahlen nochmal die Bedeutung von KMU für die Wissensrepublik Deutschland verdeutlicht.

Um einen ersten Eindruck zu bekommen, wie der aktuelle Stand des Corporate Learning in KMU ist, bin ich mal auf die Suche nach Studien gegangen. Dabei bin ich auf die Studie e-Learning im Mittelstand (N=193, Online-Fragebogen) von MMB und der Haufe Akademie aus dem Jahr 2014 gestoßen. Als Grenze zwischen KMU und Großunternehmen wurde in der Studie eine Mitarbeiterzahl von 499 verwendet, da “Unternehmen ab dieser Größe aufwärts im Allgemeinen über eine strategische Personalentwicklung und hierfür zuständiges Personal verfügen, während kleine Unternehmen diese Funktion – wenn überhaupt – durch andere Abteilungen mit abdecken”. Einige Ergebnisse der Studie:

  • 55,5% der KMU setzen e-Learning bereits ein (Großunternehmen: 66%)
  • Räumliche und zeitliche Flexibilität ist der entscheidende Vorteil von e-Learning (KMU: 87%, Großunternehmen 91%)
  • Top 10 Lernformen und -tools:
    • Web Based Training (72%/66%)
    • Virtuelle Klassenräume/Webinare (56%/49%)
    • Wikis (52%/59%)
    • Social Media (47%/48%)
    • Blended Learning (45%/52%)
    • Videobasierte Lernformen (40%/38%)
    • Microblogging (24%/13%)
    • Simulationen (15%/33%)
    • Mobiles Lernen (13%/17%)
    • Spielebasiertes Lernen, Serious Games (12%/20%)
  • Videobasiertes Lernen ist auf dem Vormarsch
  • IT und Management sind die wichtigsten inhaltlichen Themen der e-Learning-Angebote; Soft Skills, Sprachen und technische Fachkompetenzen bilden das Schlusslicht
  • Die drei wichtigsten “Aspekte des digitalen Lernens” sind Lern Management Systeme (LMS), IT-Sicherheit und Cloud-basierte Systeme
  • Open Content Strategien und Open Educational Resources werden in KMU stärker genutzt, als in Großunternehmen

Am Ergebnis fand ich spannend: der deutsche Mittelstand gehört in vielen Bereichen zur absoluten Marktspitze (Stichwort: Hidden Champions, Exportquote). Die Tatsache, dass es in KMU oft keine Abteilung für strategische Personalentwicklung gibt, sollte also nicht zu der Schlussfolgerung führen, dass das organisationale Lernen dort nicht professionell ist. Vielmehr würde ich vermuten, dass es dort eine hohe Selbstorganisationskompetenz gibt. Ist nicht ausreichend Budget vorhanden, werden keine eigenen Lerninhalte produziert, sondern kreativ auf bestehende Open-Content-Angebote aus dem Netz zurückgegriffen (Stichwort: content curation). Auch das ist eine Fähigkeit, die nach Mozilla zu den 21st Century Skills gehört.

Wer sich im Bereich “Learning@KMU” gut auskennt kann gerne weitere Erkenntnisse und Einsichten unten in die Kommentare schreiben. Mein Eindruck: in KMU gibt es viele spannende Ansätze, die auch für Großunternehmen als Vorbild genommen werden können. Beide Seiten können viel voneinander lernen.