Meine Notizen zur Konferenz Professionelles Wissensmanagement im Rahmen der Veranstaltung Wissensgemeinschaften 2015 vom 25.-26.6.2015 in Dresden. Die drei Keynotes werden live gestreamt (Do. 10:45 Uhr und 17:00 Uhr und Fr. 14:00 Uhr).
Die Beiträge, die mich besonders interessieren (Notizen zu besuchten Vorträgen s.u.):
- KEYNOTE: Knowledge Management – Advancements and Future Research Needs
- Welche Use Cases eignen sich für die Umsetzung in einem Enterprise Social Network? Eine Fallstudie der N-ERGIE AG
- Barrieren im interorganisationalen Wissensaustausch auf individueller Ebene – Ordnungsrahmen und Analysemethoden
- Assessing Informal Social Learning at the Workplace
- Studierende als vernetzte Lerner? Evaluation eines cMOOCs an der Hochschule
- Flipped Classroom in der Hochschullehre der TU Dresden
- Gamification in der Hochschullehre
- Barrierefreiheit im MOOC
- Praktische Entwicklung einer wissensorientierten Unternehmenskultur. Entwurf einer Zertifizierungsmethode
- KEYNOTE: Wissensmanagement 2.0 – Das nächste Jahrhundert
Knowledge Management – Advancements and Future Research Needs
- Referent: Peter Heisig
- Global Survey “Knowledge and Information Needs from the past and for the future”, 24 Partnerländer, N=2950, Methode: Delphi
- Verwendete Frameworks: European Guide to Good Practice in Knowledge Management, APO Knowledge Management Participants Guide
- Bereiche des Interviewleitfadens: Business Outcome, Human and Social Factors, Technology Enablers, Knowledge Processes, Capabilities, Strategy, Environment, Knowledge Economy and Knowledge Society
- Studienergebnisse Fortschritte: Theorie und Praxis haben Fortschritt gemacht, Soziale Netzwerke und Vernetzung wird als Fortschritt gesehen, Communities werden als zentrales Element der Vernetzung gesehen, einzige explizit genannte KM-Theorie ist Nonakas Knowledge Spiral
- Studienergebnisse Herausforderungen: wichtigste Herausforderung ist der Nutzennachweis des Wissensmanagements (identische Herausforderung hat das Personalmanagement), ein Ansatz mit mehr Multidisziplinarität und Interdisziplinarität ist notwendig, schärfere Definition von Wissen (tacit/implicit – explicit, DIKW, knowing as practice, organizational knowledge)
- Vorschläge Forschungsbedarf: Basic Concepts and Theoretical Understanding of Knowledge, Business Outcome (Beyond ROI), Human and Social Factors (Power, Legitimization, Culture, Motivation, Leadership), Capabilities (Organizational Learning, Innovation), Strategy (Strategy Process with Web 2.0, Alignment of Strategies), KM Prozesses
- Conclusions: KM is a discipline but suffers from overselling of KM by vendors and consultants, KM has not yet a prope home, KM is complexe and inter-/multidisciplinary, BUT ist also brings a strategic disadvantage as academic discipline
Strukturierte Wikis – Konzept und Anwendungsbeispiel
- Referent: Stefan Voigt
- Wiki-Software: ICKEwiki (aus Forschungsprojekt ICKE 2.0)
- Besonderheiten: strukturierte Navigation, strukturierte Informationsobjekte (Datenbank-ähnlich), Strukturen innerhalb von Seiten
- Vorgehensweise nach proWIS-Methode (Prozessorientiertes Wissensmanagement)
- Inhaltsschwerpunkt aus der Analyse: Kundeninformationen für Monteure (Besonderheiten, Hotels, kulturelle Gegebenheiten) inkl. Länder (Reiseinformationen, Flüghäfen mit Besonderheiten, Kundenstandorte, Städte)
- Inhaltsverzeichnis des Wiki: Profil, Länder, Flughäfen, Standorte, Kundenstandorte, Häufige Fragen (FAQ), Hilfe, Werkzeuge
- Nachfolgeprojekt: sprintDOC
The SIFA Community as a Virtual Learning Space in OSH
- Referent: Thomas Köhler
- Ansatz: Communities of Practice (CoP), Etienne Wenger (1998)
- Beispiel: Community von Fachkräften für Arbeitssicherheit mit Sifa-Langzeitstudie (8 Jahre Längsschnitt)
- Im Fokus: Expertise von Kollegen erlangen
- Fünf Bereiche: Langzeitstudie, Community, Wissen, Praxis
Vernetztes Arbeiten – Wie wichtiges Know-How im Unternehmen fließen kann
- Referent: Peter Geißler
- Herausforderung Mensch (Fluktuation, Wissen als persönliches Eigentum, ungeeignete Kultur, Informationsüberlastung, Suche nach Informationen, Suche nach Wissensträgern), Organisation (Zeitintensive Abstimmungen und Meetings, fehlender Austaus, Doppelarbeit, Entscheidungsintransparenz), Technik (E-Mail basierte Zusammenarbeit, Schatten-IT, statische Aufbereitung von Wissen, Datensilos, Dokumenten-Zentriertheit)
- Problematik Knowledge-Flow Team -> Organisation
- Drei Evolutionsstufen des Wissensmanagements: IT-Sicht, Nicht-IT-Sicht, Ganzheitliche sozio-technische Sicht
- Beispiel Zeitscheiben eines typischen Wissensarbeiters: Sachbearbeitung, Projektarbeit, Recherche und Problemlösung, Austausch mit Kollegen, Administration
- Warum wird Wissen nichtgeteilt wird : Keine Motivation, Ängste, Können
- Umsetzung eines “Digital Workplace” mit SharePoint 2013: Dokumentationsstrategie, Personifizierungsstrategie, Durchlässigkeit von Grenzen
- Kontextualisierung, Mashups (z.B. Projekträume, Themenportale) und Knowledge Flow (z.B. Wissensfluss aus Projekten ins “Unternehmensgedächtnis”) als Lösungsansätze
- Beispiel Microsoft Delve
- Die Kultur ist entscheidend: Strategiekultur, Kommunikationskultur, Entscheidungskultur, Innovationskultur
Productivity 4.0 – Der Wert von Wissen im Digitalen Zeitalter
- Referent: Thorsten Hübschen
- Dialog Arbeit 4.0 des Bundesarbeitsministeriums (Grünbuch Arbeit 4.0)
- Arbeit 1.0: Muskelkraft, Arbeit 2.0: Manuelle Arbeit, Arbeit 3.0: Computation
- Das Digitale Zeitalter: Zuse Z1 (1937), IBM PC 5150 (1981), Windows 3.0 (1990), WWW (1991), eCommerce/Amazon (1994), Advertising+Search/Google (1998), Musik/iPod (2001), Soziale Netzwerke/Facebook (2004), Fotografie/Instagram (2008)
- Moorsches Gesetz in Aktion: die Kosten von 1 Million Transistoren sind von $222 (1992) auf $0.06 (2012) gesunken
- Trends: Urbanisierung (seit kurzer Zeit prozentual mehr Menschen in Städten, als auf dem Land), Technologie, Demografie, Globale Flüsse
- 21. Jahrhundert: Think Local, Act Global! (was soll das heißen?)
- “In USA sind viele Jobs von Anwälten weggefallen, da Recherche in Präzedenzfällen durch Computer gemacht wird”
- Vergleich Börsenwert Facebook+Alibaba+airbnb+uber (500 Mrd.) vs. Summe Dax 30 (1.3 Bln.)
- Die Assets im 21. Jahrhundert sind “People” (Mitarbeiter und Kunden), “Intellectual Property” (Daten, Algorithmen, Marken, Patente) und “Brands” (Aufmerksamkeit, Vertrauen)
- Wissensarbeit als Nicht-Routine-Arbeit, Kernfrage ist die Produktivität von Wissensarbeitern
- Produktivitätsfaktoren für Wissensarbeiter: Teamarbeit, Kommunikation, Aufmerksamkeit, Storytelling
- Ansatzpunkte “Re-Inventing Work”: Organsation, Technologie, Spaces
Hinweis: parallel findet vom 26.-27.6. das KnowledgeCamp der Gesellschaft für Wissensmanagement statt.
Scholarch der Cogneon Akademie. Von der Ausbildung Dipl.-Ing. Elektrotechnik mit Schwerpunkt Digitale Nachrichtentechnik. Ich brenne für Lernende Organisationen, Wissensmanagement, New Work und Lebenslanges Lernen. Mitglied in Corporate Learning Community, Gesellschaft für Wissensmanagement, Chaos Computer Club uvm. Weiterer Podcast unter http://knowledge-on-air.de.
Simon, zunächst mal vielen Dank für’s live Bloggen.
Gleich bei der ersten Keynote, bleibe ich an einem Stichpunkt hängen:
>> einzige explizit genannte KM-Theorie ist Nonakas Knowledge Spiral
Wenn das die “Fortschritte” der Wissenschaft sind…
Wir bewegen uns immer weiter in eine konzeptlose, a-theoretische, hyper-ökonomisierte Welt hinein, in der eine längerfristige Wissens-Entwicklung selbst in der Wissenschaft nicht mehr funktioniert. Jeder will/muss sich virtuell marktschreierisch darstellen (damit meine ich jetzt explizit nicht den Referenten Peter Heisig, sondern ich nehme Deine Zusammenfassung lediglich zum Anlass), um sich eben zu vermarkten (Andrew Keen ist eine gute Adresse für solche Fragen).
Für eine kontinuierliche und sorgfältige, gerne auch kollaborativ virtuell vernetzte(!), sorgfältige Auseinandersetzung mit einem Gegenstand scheinen Zeit, Lust und Geld(?) zu fehlen.
Warum ich das hier schreibe?
Weil das zitierte Modell 1998 (also vor 17 Jahren!) von den Autoren selbst stark relativiert wurde, nachdem sie grobe handwerklich Fehler bei der Erstellung gemacht hatten. Für diejenigen unter uns, ganz altmodisch davon überzeugt sind, dass man sich mit vorhandenem Wissen und Konzepten beschäftigen sollte, bevor man “pragmatisch” (sensu konzeptlos) “einfach mal was probiert”, von dem auch noch Dritte betroffen sind (Stichwort: sozio-technische Herausforderungen), gibt es hier einen — durchaus Wissensmanagement-kritischen — Einstieg in die Thematik:
http://www.kontrollwahn.de/books/2010-Ehms-Dissertation-2.htm#50651139_pgfId-1011608 (noch die alte Domain, passt ja aber auch in die Zeit ;-)
Auszug:
Das SECI-Modell wurde von seinen Autoren übrigens bereits 1998 durch das Konzept des ‘Ba’ stark relativiert und um Konzepte erweitert, deren Anschlussfähigkeit an europäisches wissenschaftliches Denken allerdings eine Herausforderung darstellen dürfte.
…
Das Konzept des tacit knowledge wird nun sogar ohne Bezug auf Polanyi (1967) definiert. Eine Stützung durch grundlegende Wissenstheorien (vgl. 1.2.1, Kübler 2005) unterbleibt. Von der ursprünglichen Idee, stilles Wissen sei vergleichsweise einfach zu externalisieren, wird nun Abstand genommen und für solche Unterfangen zumindest eine Dialogsituation gefordert (‘interacting Ba’). Die Autoren konzidieren, dass die Idee der Selbsttranszendenz recht abstrakt sei, aber dennoch praktisch umgesetzt werden könne ( ,However, it can be put into practice”, Nonaka & Konno 1998: 42 ). Alles in allem wirkt diese Wendung wenig überzeugend und hat keinen Eingang in die Organisationspraxis gefunden.
Orange Grüße,
karsten