Diese Idee muss sterben! (Blogparade 01)

In der aktuellen Ausgabe des Wissenschaftspodcast Freakonomics “This Idea Must Die” bin ich auf eine tollen Ansatz gestoßen. Dort werden keine neuen wissenschaftlichen Ideen gesucht, sondern solche, die auf den Friedhof der Ideengeschichte gehören. Dabei sind schöne Mythen wie beispielsweise die Geschichte der rechten und linken Gehirnhälfte oder die von guten bzw. bösen Märkten.

Beim Hören der Episode ist mir der Gedanke gekommen, dass es im Wissensmanagement auch schon eine Menge Ideen gab, die widerlegt sind und ausgemustert werden müssen. Denn gerade in der Praxis und bei Neueinsteigern bekommt man diese Ideen immer wieder zu hören. Schöne Beispiele sind für mich die Ideen der berüchtigten “Wissensdatenbank” oder die, dass soziale Medien Wissensmanagement als Thema abgelöst haben.

Daher möchte ich von heute bis zum 31.03. hier im Blog zu einer Blogparade zu folgendem Thema aufrufen :

blogparade-01

Welche Ideen, die sich beharrlich halten, regen Euch auf? Welche sollten wir auf den Ideenfriedhof unserer Disziplin verbannen? Beiträge und Gedanken einfach unten in die Kommentare schreiben.

18 Kommentare zu „Diese Idee muss sterben! (Blogparade 01)“

  1. Auf dem DGFP Kongress gab es eine schöne Folie die das “Brockhaus-Denken” (mit Bild der großen Reihe strukturierter, eingebundener Buchexemplare zeigte) dem Netzwerk-Denken gegenüberstellte.
    Firmen, die 10 Millionen Dokumente pro Jahr erzeugen, müssen über neue “Strukturen” nachdenken, das Wissen bereitzuhalten anstatt “eindimensional abzulegen”

  2. Dann wäre da der große Wunsch der alten Wissensmanager “FERTIG” zu werden – in einem stetig sich veränderndem Umfeld gibt es kein final – nur den Kompromiss eines Draft’s, der das beste zu einer bestimmten Zeit mit einer bestimmten Resources darstellt.

    1. Daran kann man schön sehen, wie lange es brauchen kann, bis Ideen sterben. Denn eigentlich müssen wir hier nur gute 2000 Jahre zurück schauen. Sokrates wird die Aussage “Ich weiß, dass ich nichts weiß” zugeschrieben. Doch das ist ein Übersetzungsfehler! Eigentlich muss das griechische Original-Zitat mit “Ich weiß, dass ich nicht weiß” (ohne “s”) oder “Ich weiß als Nicht-Wissender” übersetzt werden. Damit ist gemeint, dass sich Wissen immer im Fluss befindet und nie “fertig” ist. Die Netz-affinen Menschen müssen hierfür glücklicherweiße nicht die griechische Sprache erlernen, es gibt glücklicherweiße unter http://de.wikipedia.org/wiki/Ich_wei%C3%9F,_dass_ich_nichts_wei%C3%9F einen ausführlichen Wikipedia-Artikel, der sich diesem Thema widmet.

  3. Aller guten Dinge sind 3 – “Work Out Loud” ist der neue Weg zu schnellem und einfachem Wissens-Zuwachs zu kommen. Für mich einer der wichtigsten Punkte: nicht mehr das Ziel (z.B. Buch oder Dokument, Whitepaper…) ist im Vordergrund – sondern der Prozess dahin.
    Wir können viel mehr lernen, wenn wir uns beim Arbeiten “über die Schulter” schauen können, als fertige Produkte zu sehen. Social Media ermöglicht es – ohne Mehraufwand Arbeitsprozesse sichtbar zu machen, zu teilen und “grenzenlos” – voneinander zu lernen.

  4. Pingback: #WOL als digitales “über die Schulter schauen” | Working Out Loud

  5. Alexander Koerdt

    Gute Idee…Der Begriff “Wissensmanagement” gehört in die Mottenkiste, weil er ein Pleonasmus ist. Ein Wort ohne Informationsgewinn. “Wissen” managen heisst: Wissen planen und steuern zu wollen. Dazu ist Wissen Voraussetzung. Also planen und steuern Wissensmanager was sie wissen ? Den sie können ja nicht Wissen managen,das erst in der Zukunft vorhanden ist. Denn wird Wissen immer erst in der Gegenwart zu wissen.Planen und Steuern ist aber immer zukunftsorientiert.Also. Wissensmanagement kann gar nicht funktionieren. Mal ganz logisch argumentiert.

    1. Also, die logische Argumentation kann ich nur teilweise nachvollziehen. Zum einen bedeutet Pleonasmus einen “Wortreichtum ohne Informationsgewinn” wie beispielsweise in “weißer Schimmel” oder “runder Kreis”. Diesen Tatbestand erfüllt der Begriff “Wissensmanagement” nicht. Viel eher ist das Problem, dass sich das Wissen in Köpfen von Menschen befindet und daher nicht direkt gesteuert werden kann. Es braucht Modelle wie die der “Kontextsteuerung” aus der Kybernetik, denn man kann sehr wohl den Kontext der Wissensprozesse steuern (z.B. Lernzeit, Metodeneinsatz, Elemente der Infrastruktur, Bewertungskriterien von Führungskräften und geführten Kräften). Auch das zweite Argument der Nichtsteuerbarkeit von Dingen in der Zukunft erschließt sich mir nicht, denn auch ein Projektmanager muss mit dem Projektergebnis etwas managen, dass es heute noch nicht gibt. Wie in der Antwort auf den Kommentar von Josef oben angedeutet glaube ich auch, dass Wissensmanagement als Begriff nicht optimal ist. In Ermangelung besserer Vorschläge ist aber immer noch der beste, den wir haben.

    2. Hängt davon ab, wie man Wissen und Management definiert.
      Da gibt es unterschiedliche Varianten, je nach wissenschaftlicher Tradition, Disziplin oder gerne auch mal nach persönlicher Vorliebe ;-)
      Versteht man Management generell als “Komplex von Steuerungsaufgaben” und verabschiedet sich von der Idee einer mechanischen / DETERMINISTISCHEN Steuerung, dann lässt sich durchaus Wissensmanagement betreiben. Sogar erfolgreich ;-)

  6. Werner Stockinger

    Diese Idee (Einstellung) sollte sterben:

    “Wir benennen einen Wissensmanager. Diese Person ist verantwortlich für unser Wissensmanagement. Diese Person sammelt alles notwendige Wissen, was wir haben und brauchen und stellt es Allen zur Verfügung – Alles wird gut!”

    Nachtrag:
    Im Januar 2001 erschien in der FAZ ein Artikel mit dem Titel “Ist ein Wissensmanager erfolgreich, macht er sich überflüssig”.
    Mir hat diese Überschrift immer zugesagt, da sie in perfekter Weise meine Einstellung zu dieser Rolle/Funktion ausdrückt.
    Nicht missverstehen: Man braucht Wissensmanager – aber sie sind nicht für alles verantwortlich.

  7. christian kuhna

    Der Ansatz Wissen muss ge-managed werden muss sterben! Zumindest wie er bisher betrieben wurde: hauptsächlich aus IT heraus mit dem Aufbau von Datenbanken mit schlechter Usability und bemannt mit Kollegen, für die man sonst keine gute Verwendung fand.. Umgekehrt braucht das Thema Identifizierung von relevantem Wissen und die Weitergabe und Bewahrung desselben eine Renaissance. Das ist nach wie vor ein absolut unterschätztes Gebiet, welches für viele Unternehmen genau den Wettbewerbsvorteil ausmacht. Kombiniert mit Innovation und Lernen hat das Thema eine Riesenpotential – muss allerdings strategisch neu positioniert werden.

  8. Zwei Ideen, die gleichermaßen ausgemustert gehören:

    1) Um Wissensmanagement zu verbessern muss ich einfach nur ein Informationssystem einführen (Ersetze Informationssystem je nach Jahr der Betrachtung durch DMS, Wiki oder Social Media).
    Die Einführung eines Systems verbessert erst einmal gar nichts. Die Leute müssen die Systeme auch nutzen wollen und können (im Sinne des Verstehens wie es am besten funktioniert). Mein Lieblingsbeispiel aus dem Beraterleben: “Das Wiki, das sie mir installiert haben, hat ja gar keine Inhalte!”

    2) “Gutes Wissensmanagement braucht keine IT”. Natürlich gibt es vereinzelt Beispiele die das belegen, aber die Argumentation ist ungefähr so zutreffend wie: ich brauche keinen Computer um einen Geschäftsbrief zu schreiben, oder eine Kasse in einem Geschäft zu betreiben. Natürlich geht das, aber es ist einfach ineffizient.
    Generell wird unsere gesamte Gesellschaft zunehmend digitalisiert und zwar weil es viele Vorteile hat (auch ein paar Nachteile, keine Frage, z.B. Datenschutz). Insofern gehört eine sinnvolle IT-Unterstützung zum Wissensmanagement einfach mit dazu, aber eben nicht in erster Linie und schon gar nicht als Selbstzweck, sondern eben flankierend zu den organisatorischen und personen-bezogenen WM-Maßnahmen.

  9. Sterben ist natürlich eine drastische Metaphorik und erinnert mich spontan an den Beitrag: “Wissensmanagement – Ein Dialog über Totes und Lebendiges”(http://www.enbiz.de/wmk/papers/public/LebendigesWM/Roehl_Romhardt.pdf).

    Wenn es aber schon eine Idee gibt, die so “absolut” zu verurteilen ist, dass sie “sterben” sollte, dann die, dass man komplexe sozio-technische Veränderungsprojekte zu oft in die Hände “Angelernter Aushilfskräfte” legt. Kein Mensch würde sich auch nur einer Routineoperation unterziehen (Blinddarm, Kaiserschnitt), die vom Werkstudenten oder “high potential” (auf der “Durchreise”) ausgeführt wird.

    Disclaimer: generell ist natürlich nichts gegen Werkstudenten und high potentials zu sagen, nur eben dann, wenn sie ohne einschlägige Expertise an hochkomplexe Problemstellungen gelassen werden.

  10. die Idee, Wissensmanagement könne erfolgreich sein, ohne das traditionelle Machtgefüge einer hierarchischen Organisation anzutasten. Wer 2.0 sagt, muss auch die Frage nach der Macht im System stellen.

  11. Der einzige Weg “Wissen” zu erkennen: ob auf einen Event, eine Anforderung angemessen reagiert wird. Maturana und Varela beschreiben dass anhand einer Amöbe, die einem Zuckergradienten entlang schwimmt und so zum Zucker kommt. Sie “weiss” also, wie sie zum Futter kommt. Im Sinne einer körperlich abgespeicherten Routine. Wobei diese Routine driften kann (sonst gäbe es keine Evolution). Da kann man mit dem Begriff “managen” sicher gut weiter kommen. Wenn es um eigenständiges Anpassen, Lernen, Interpretation im Kontext kommt, dann haben die Wissensmanager m.E. einen falschen Leitbegriff gewählt. Oder sie “wissen”, dass der menschliche Geist nur ein Programm ist, das gemanaged werden kann oder sogar muss. Was ich aber nicht unterstellen möchte. Ich hätte gern einen neuen, sympathischeren Begriff.

  12. Ich habe mich auch schon sehr intensiv mit dem Thema Wissensmanagement auseinandergesetzt und so wie ich die Diskussion hier wahrnehme geht es um die Frage, wie man Wissensmanagement überhaupt verstehen will und kann: In einer Art IT Denken, in der die gesammelten Daten bereits Wissen darstellen oder als Organisationsmodell, das auf Komplexität und Vernetzung zielt. Letzteres halte ich für die Zukunft. Es lässt sich dann auch gut mit der Frage einer digitalen Transformation hin zu einer Social Collaboration und vor allem Social Learning (um die Begriffe zu verwenden) zusammenbringen. Also gestützt auf das Wissen und seine Generierung in den Communities der Organisation.
    Daraus ergbit sich für mich wiederum, was auf den Friedhof gehört: Die Funktion “Ask the Expert” oder der “Yellow Pages”. Dem liegt nämlich der alte Management(irr)glaube zu Grunde, es gäbe fest definierbare Experten (eines Wissenskanons, dem Brockhaus Denken, das @Harald Schirmer hier beschreibt), die man festlegen und dann fragen kann. Wer aber wo und in welchem Zusammenhang Experte ist, das ist in der heutigen Zeit nicht wirklich (einfach) zu beantworten. Bzw. eben abhängig von der Aufgabe und/oder den Problemstellungen die sich im jeweiligen Prozess ergeben.

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