Braucht es Wissensmanagement auch in Zeiten von Microsoft 365, Nextcloud & Co noch?

In meiner täglichen Arbeit erlebe ich immer wieder Menschen und Organisationen, die Wissensmanagement mit einem Tool gleichsetzen. Beliebt ist hier das Wiki, denn Wikipedia ist ja auch so etwas wie ein gesellschaftliches Wissensmanagement – oder? Ich glaube nicht, denn in den letzten 25 Jahren Wissensmanagement wurden schon viele Tools als “Allheilmittel” gepriesen (aktuell: KI) und im Nachhinein hat sich immer wieder herausgestellt, dass es für ein exzellentes Wissensmanagement mehr braucht.

Ganzheitliches Wissensmanagement ist mehr, als nur die Bereitstellung von Technik. Bullinger et.al. haben das schon 1988 in ihrem viel zitierten TOM-Modell aufgezeigt (s.a. mein Linkedin-Beitrag zur loscon22):

  • Technologie
    • Weiterentwicklung und Migration von IT Systemen
    • Bedarfsermittlung und Feedbackschleife
  • Organisation
    • Klare Prozesse definieren und umsetzen (z.B. WM Zeiterfassung, WM Prozesse im Projekthandbuch)
    • Schnittstelle zu anderen Abteilungen nutzen
  • Mensch
    • Motivation und Kommunikation (z.B. Success Stories, Intranet, Events)
    • Schulung (live, online)
    • Zielsetzung pro Jobrolle, Messung

Redewendungen wie “Wissensmanagement wird eingeführt” rühren daher, dass Wissensmanagement mit der Einführung von Technologien gleichgesetzt und mit deren Einführung oft auch als abgeschlossen betrachtet wird. Bei Prozessorganisation wird meist nur auf Bereitstellungs- und Betriebsprozesse geachtet und die Motivation/Schulung der Menschen erfolgt meist nur in Bezug auf die jeweilige Technologie und nicht auf den Ende-zu-Ende Wissensprozess.

Zuerst die gute Nachricht. Vor 20-30 Jahren war die technologische im Wissensmanagement noch sehr dürftig. So mussten sich Communities of Practice mit Telefonkonferenzen, Diskussionsforen, Mailinglisten und Dateiablagen begnügen. Gerade bei global verteilten Netzwerken waren persönliche Treffen aus Logistik und Kostengründen selten. Systeme wie Wikis gab es noch nicht, die Wissensdokumentation war an hierarchische Ablagen mit Dateien und Ordnern gebunden.

Das hat sich mittlerweile stark geändert. In den meisten verfügbaren Office-Paketen befinden sich die meisten Tools, die man aus Technologie-Sicht für das Wissensmanagement benötigt. Ein kleiner Überblick des Angebots für den digitalen Arbeitsplatz anhand der Beispiele Microsoft 365, Nextcloud und openDesk (Cloud-Angebot für öffentliche Einrichtungen vom Zentrum für Digitale Souveränität):

FUNKTIONMICROSOFT 365NEXTCLOUDOPENDESK
Intranet, Webseiten, WeblogSharepoint
WikiCollectivesXWiki
OfficeWord, Excel, PowerpointCollabra (Libre Office)Collabra (Libre Office)
Dokumentenmanagement, FilesharingOnedrive, SharepointDateienNextcloud
Digitales NotizbuchOnenote
Aufgaben-, ProjektmanagementPlanner, To DoDeckOpenproject
EmailOutlook (Exchange)Mail (ehem. Roundcube, nur Client)Open-Xchange
Kalender, KontakteOutlook (Exchange)Kalender, KontakteOpen-Xchange
ChatTeamsTalkMatrix, Element
VideokonferenzTeamsTalkJitsi
Soziales NetzwerkEngage (ehem. Yammer)
Lesezeichen, BookmarksLesezeichen
FormulareFormsFormulare
News-/RSS-FeedsNews (App Nextnews)
Suche (übergreifend)JaJa
Generative KIMicrosoft 365 CopilotAssistant
Vergleich der Funktionen von Microsoft 365, Nextcloud und openDesk

Aus Sicht des Wissensmanagements ist das auf jeden Fall sehr gut, weil man sich in der Praxis auf die konkreten Prozesse und die Befähigung der Wissensarbeiter:innen (z.B. Entwickler, Ingenieure, Führungskräfte, Trainer) konzentrieren kann. Eine andere Perspektive, für die wieder mehr Zeit ist, ist die des strategischen Wissensmanagements, z.B. mit der Wissenstreppe von Klaus mit der Frage “welches Wissen brauchen wir, um in Zukunft wettbewerbsfähig zu sein?”. Oder auch die Frage der “Wissensreifung” (s.a. Knowldge Maturing Model) und des des Content-Lifecycles in der Praxis: wie sichern wir Inhalte und Erfahrungen aus Projekten so, dass sie uns und anderen auch in Zukunft zur Verfügung stehen. Denn die Fragmentierung der Arbeit in verschiedene Chat-Kanäle, Fileshares, Onenotes etc. ist nicht nur schlecht für die Übersichtlichkeit, sondern auch für die Wiederverwendbarkeit des Wissens. Viele Plattformen fördern das Need-to-Know-Prinzip (die Arbeit beginnt in einem möglichst geschlossenen Raum an), anstatt auf das Open-by-Default-Prinzip zu setzen und nur zu schließen, was unbedingt notwendig ist.

Diesen vielen Fragen möchte ich im kommenden Jahr mit einer Gruppe von Organisationen in der sogenannten “Knowledge Management Excellence Group” (KMEG) nachgehen, denn sie haben sich seit meiner Diplomarbeit über Wissensmanagement im Jahr 2000 haben sie sich kaum verändert. Über die konkrete Idee habe ich im letzten Keep Calm & Learn On Newsletter geschrieben. Ich würde mich freuen, wenn ihr mir über dieses Formular etwas Feedback zu der Idee geben könntet.

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